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Antizionismus ist nicht Antisemitismus!
Zu den bundesweiten Kundgebungen jüdischer Organisationen.
Diejenigen, die gegen Israels brutales Vorgehen in Gaza protestieren, sind nicht zwangsläufig Antisemiten, auch wenn unter den tausenden, zehntausenden und hunderttausenden, die in Paris, London und Berlin demonstriert haben, sich einige wenige Menschen befanden, die tatsächlich die Juden meinten. Lasst euch nicht ablenken von eurem berechtigten Protest gegen Israels brutale und unanständige Politik.
Statt einer notwendigen Debatte über den Nahost-Konflikt, sollen wir durch eine überflüssige Antisemitismus-Debatte abgelenkt werden.
Noch ist es nicht soweit, wie Dieter Graumann vom Zentralrat der Juden befürchtet, dass Juden wieder auf deutschen Straßen „vergast, verbrannt und geschlachtet“ werden sollen. Und wir leben auch nicht im Jahr 1933. Eine solche maßlose Übertreibung auszusprechen, ist eine Beleidigung aller Deutschen und eine unverantwortliche Verunsicherung der jüdischen Mitbürger. Ariel Sharon hat es klipp und klar ausgedrückt: Wir brauchen den Antisemitismus, damit er die Juden nach Israel treibt. Dieter Graumann treibt mit seinen Worten die Juden nach Israel, wo sie nur vermeintlich sicherer leben. Die momentane Situation im Land zeigt es sehr deutlich
Wenn Dieter Graumann meint, dass der Ruf einzelner, emotional betroffener, palästinensischer Jugendliche, deren Familien in Gaza leiden, eine Massenkundgebung rechtfertigt, dann fragen wir warum er geschwiegen hat, als in Israel „Tod den Arabern“ gerufen wurde und, Ayelet Shaked, eine Abgeordnete der rassistischen Partei „Jüdisches Haus“, gefordert hat, „Alle...haben sie den Tod verdient. Jetzt umfasst es auch die Mütter der Märtyrer...Sie müssen ihren Söhnen folgen, es gibt nichts Gerechteres“, und als auf Häuserwänden im ganzen Land der Slogan gesprüht wurde: „Araber ins Gas“! Oder als Matan Vilnai, der stellvertretende Verteidigungsminister, 2008 gesagt hat, dass die Palästinenser über sich „eine noch größere Shoah bringen“.
Der Protest gegen Antisemitismus ist so selbstverständlich, wie überflüssig. Bei den Kundgebungen gegen Antisemitismus geht es auch nicht um Antisemitismus, sondern um Solidarität mit Israel. Wir sind aber nicht bereit uns mit einem Israel zu solidarisieren, das sich menschenrecht- und völkerrechtswidrig verhält.
Die Ablehnung von Antisemitismus ist in Deutschland selbstverständlich und wird schon in §1 unseres Grundgesetzes ausgedrückt. Unsere Demokratie garantiert uns die Freiheit der Meinungsäußerung und das Recht demonstrieren zu dürfen. Unser Grundgesetz garantiert uns, dass wir deshalb nicht diffamiert, beleidigt und ausgegrenzt werden dürfen.
Frau Merkel sollte deshalb für die Einhaltung und Durchsetzung dieses Paragrafen stehen. Sie sollte alle Bürgerinnen und Bürger in Schutz nehmen, die zu Unrecht von Dieter Graumann als Antisemiten diffamiert werden, und nicht nur die Juden und schon gar nicht die Israelis. Das werden die wenigsten Deutschen verstehen und gut finden. Die meisten von ihnen demonstrierten für Sicherheit, Freiheit und Gerechtigkeit – für Israelis und für Palästinenser.
Schluss mit der Heuchelei. Schluss mit Gleichsetzung von Antizionismus mit Antisemitismus. Ein Antizionist ist gegen Taten des zionistischen Staates, ein Antisemit ist gegen Juden als Menschen. Wir sind Juden und wir bekennen uns dazu. Wir sind aber keine Zionisten. Zionismus ist eine rassistische, kolonialistische und militaristische Ideologie aus dem 19. Jahrhundert, die schon längst auf den Müllhaufen der Geschichte gehört.
Die Würde des Menschen ist unantastbar – nicht nur die Würde der Juden, sondern auch die Würde der protestierenden Deutschen und, nicht zu vergessen, die Würde der Palästinenser.
Den Gipfel der Geschmacklosigkeit, des Zynismus und der Unverschämtheit erreichte inzwischen die obskure, rassistische Organisation „Honestly Concerned“ in Frankfurt, die das angebliche Leid der Israelis mit dem Leid der Jesiden, Kurden und Aleviten verglichen hat, die zu tausenden von den barbarischen IS Truppen geschlachtet werden. Man kann die Taten des Islamischen Staates ablehnen, ohne dabei Islamophobe zu sein und man kann auch die Taten eines Jüdischen Staates ablehnen, ohne dabei Antisemit zu sein.
Sie beklagen, dass in Israel die Menschen „in vielen Orten nur 15 Sekunden Zeit haben sich in Schutzräumen oder Bunkern in Sicherheit zu bringen“. Da ist die „moralischste Armee der Welt“ in der Tat großzügiger. Sie gibt allen Menschen in Gaza 56 Sekunden Zeit sich in Sicherheit zu bringen. Nur es gibt für die Menschen in Gaza nirgends Sicherheit, nirgends Schutzräume und Bunker.
Moshe Feiglin, der extrem rassistische stellvertretende Knesset Vorsitzende meinte dazu: „Der Sinai ist nicht weit von Gaza entfernt und sie können aus Gaza fortgehen. Das wird aber die Grenze der humanitären Hilfe sein, die Israel bereit ist zu gewähren. Gaza ist ein Teil unseres Landes und wird es für immer bleiben“. Menschen aus ihrer Heimat vertreiben ist für Zionisten wie Feiglin der Gipfel an Menschlichkeit und Humanität. Mit solchen Rassisten und Faschisten hat man es in Israel nicht nur auf der Straße, sondern auch im Parlament zu tun.
Der Frankfurter Jude Ludwig Börne schrieb Mitte des 19. Jahrhunderts: Jede Idee lässt sich durch eine andere Idee verdrängen – nur die Freiheit nicht.
Und so werden wir alle noch eines Tages die Befreiung Gazas und die Befreiung aller Palästinenser erleben – ob es den Israelis passt oder nicht.
Frankfurt, den 30. August, 2014
V. i. S. d. P. Abi Melzer