Klarstellung des Oxford-Professors Brian Klug bezüglich des Antisemitismusvorwurfes
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Klarstellung des Oxford-Professors Brian Klug bezüglich des Antisemitismusvorwurfes

Neben zahlreichen Unterstützungsbriefen ehemaliger Göttinger und Aachener Friedenspreisträger, Menschen aus Deutschland und Österreich, aus der Schweiz, Luxemburg und USA erreichte uns die Klarstellung des Oxfordprofessor Brian Klug bezüglich des Antisemitismusvorwurfes.

Sehr geehrte Präsidentin Beisiegel und Oberbürgermeister Köhler,

hiermit möchte ich Sie ersuchen, die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die Jüdische Stimme (Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.) nicht zu suspendieren. Sie wurde fälschlicherweise des Antisemitismus bezichtigt, insbesondere da sie die BDS-Bewegung unterstützt (die Kampagne für Boykott, Desinvestition und Sanktion, die auf den Staat Israel abzielt).

Ich gehöre zur Philosophischen Fakultät der Universität Oxford; bin ehrenamtliches Mitglied des Parkes-Instituts zum Studium jüdischer-nichtjüdischer Beziehungen; Mitherausgeber der Zeitschrift Patterns of Prejudice [Vorurteilsstrukturen] und Beiratsmitglied für "jüdische Identität aushandeln: jüdisches Leben im Norwegen des 21. Jahrhunderts" am norwegischen Zentrum für Holocaust und Minderheiten-Studien. Meine neustes Buch Words of Fire (Notting Hill, 2015) ist eine Auswahl von Aufsätzen von Achad Ha’am, dem Begründer des Kultur-Zionismus. Ich habe seit den späten 80er-Jahren ausgiebig zu Antisemitismus und Antizionismus publiziert, unter anderem meine Bücher Being Jewish and Doing Justice (Valentine Mitchell, Parkes-Wiener Series on Jewish Studies, 2011) und Offence: The Jewish Case (Seagull Books, 2009). In zahlreichen Büchern zu diesem Thema schrieb ich Beiträge, zuletzt ein Kapitel in The Medieval Roots of Antisemitism (Routledge, 2018). Auf Einladung der deutschen Delegation zur parlamentarischen Versammlung der OSZE sprach ich bei der öffentlichen Expertenanhörung zu Antisemitismus im November 2004 in Berlin im Bundestag. Der britischen überparteilichen parlamentarischen Untersuchung zu Antisemitismus legte ich im Dezember 2005 und Februar 2006 auf Aufforderung des Gremiums schriftlichen und mündlichen Bericht vor. Zu den Themen, über die ich in Oxford lehrte, gehören Seminare zu "Philosophie nach Auschwitz: Ethik und Modernität im Lichte des Nazi-Holocaust" und "Zion und Zionismus: Konzeptionen jüdischer Identität im 19. und 20. Jahrhundert". Letztes Jahr hielt ich die jährliche Holocaust-Memorial-Vorlesung an der Universität Cambridge. Im November hielt ich auf Einladung des Professors für Israelstudien an der Universität Oxford einen Vortrag zu "Die Linke und die Juden" als Seminar für Israelstudien. Im April werde ich auf einem eintägigen Workshop zur Definition von Antisemitismus einen eingeladenen Vortrag halten, unter der Schirmherrschaft des Pears-Instituts für das Studium des Antisemitismus am Birkbeck College der Universität London.

Die Antisemitismus-Anschuldigungen gegen die Jüdische Stimme sind falsch und unbegründet. Sie beruhen auf falschen Vorstellungen darüber, was Antisemitismus ist. Insbesondere ist BDS ein gewaltfreie Form des Protestes gegen den Staat Israel – nicht weil der Staat jüdisch ist, sondern wegen Verletzungen des Völkerrechts und Verstößen gegen die Menschenrechte von Palästinensern. Von daher ist die BDS-Bewegung nicht antisemitisch. Tatsächlich würden manche ihrer (zahlreichen) jüdischen Unterstützer argumentieren, dass sich in BDS jüdische Ethik ausdrückt. Als politische Bewegung ist BDS sicherlich kontrovers, nicht zuletzt unter jüdischen Menschen. Auf beiden Seiten gibt es heftige Gefühle; und heftige Gefühle führen manchmal zu falschen Beschuldigungen von Fanatismus. (Ich weiß das aus erster Hand, seit ich vor einigen Jahren zum Ziel einer politisch motivierten Verleumdungskampagne wurde, als ich am Jüdischen Museum Berlin einen öffentlichen Vortrag zum 75. Jahrestag der Pogromnacht hielt). Die Beschuldigung, dass BDS antisemitisch sei, fällt in diese Kategorie.

Wenn Sie die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die Jüdische Stimme aussetzen, dann werden Sie im Ergebnis politische Position in einer Auseinandersetzung beziehen, die Juden ebenso spaltet wie die allgemeine Öffentlichkeit. Trotz ihrer besten Absichten werden Sie nicht die Sache des Kampfs gegen Antisemitismus befördern. Sie werden vielmehr eine jüdische Gruppe in Deutschland dafür bestrafen, dass sie ihr legitimes Recht auf freie Meinungsäußerung ausübt. Aus diesen Gründen hoffe ich, dass Sie die sachgemäße Entscheidung der dazu kompetenten Jury zur Preisverleihung nicht blockieren werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Brian Klug

 

Dear President Beisiegel and Lord Mayor Köhler,

I am writing to urge you not to suspend the award of the Göttinger Friedenspreis to Jüdische Stimme (Jewish Voice for a Just Peace in the Middle East), who have been falsely accused of antisemitism, especially on the grounds that they support the BDS movement (the campaign for Boycott, Divestment and Sanctions aimed at the State of Israel).

I am on the Faculty of Philosophy at the University of Oxford; Honorary Fellow of the Parkes Institute for the Study of Jewish/non-Jewish Relations; Associate Editor of the journal Patterns of Prejudice; and a member of the Advisory Board for ‘Negotiating Jewish Identity: Jewish Life in 21st Century Norway’ (The Norwegian Center for Studies of the Holocaust and Religious Minorities). My latest book, Words of Fire (Notting Hill, 2015), is a selection of essays by Ahad Ha’am, the founder of Cultural Zionism. I have published extensively on antisemitism and anti-Zionism since the late 1980s, including my books Being Jewish and Doing Justice (Valentine Mitchell, Parkes-Wiener Series on Jewish Studies, 2011) and Offence: The Jewish Case (Seagull Books, 2009). I have contributed to numerous books on the subject, the most recent being a chapter in The Medieval Roots of Antisemitism (Routledge, 2018). At the invitation of the German delegation in the OSCE Parliamentary Assembly, I testified at a Public Expert Forum on Antisemitism at the Bundestag, Berlin, November 2004. I gave written and oral evidence to the UK All-Party Parliamentary Inquiry into Antisemitism, December 2005 and February 2006, at the request of the panel. Among the subjects I have taught at Oxford are tutorial courses on ‘Philosophy after Auschwitz: Ethics and Modernity in the Light of the Nazi Holocaust’ and ‘Zion and Zionism: Conceptions of Jewish Identity in the Nineteenth and Twentieth Centuries’. Last year I delivered the annual Holocaust Memorial Lecture at the University of Cambridge. In November, at the invitation of the Professor of Israel Studies at the University of Oxford, I gave a paper on 'the left and the Jews' as an Israel Studies Seminar. In April, I shall present an invited paper at a one-day workshop on the definition of antisemitism, under the auspices of the Pears Institute for the Study of Antisemitism, Birkbeck College, University of London.

The accusations of antisemitism against Jüdische Stimme are false and without foundation. They are based on misconceptions about what antisemitism is. In particular, BDS is a non-violent form of protest against the State of Israel -- not because the state is Jewish but because of violations of international law and infringements of the human rights of Palestinians. As such, BDS is not antisemitic. In fact, some of its (numerous) Jewish supporters would argue that it reflects Jewish ethics. As a political movement, BDS is certainly controversial, not least among Jewish people themselves. Strong feelings are held on both sides; and strong feelings sometimes lead to false accusations of bigotry. (I know this first-hand, having been the target of a politically-motivated defamation campaign some years ago when I gave a public lecture at the Jewish Museum Berlin on the 75th anniversary of Pogromnacht). The accusation of antisemitism against BDS is a case in point.

If you suspend the award of the Göttinger Friedenspreis to Jüdische Stimme, you will, in effect, be taking sides politically in a dispute that divides Jews as much as it divides the general public. Despite your best intentions, you will not be advancing the cause of fighting antisemitism. You will, instead, be punishing a Jewish group in Germany for exercising its legitimate right of free speech. I trust, for these reasons, that you will not block the decision duly reached by the jury appointed to award the prize.

Sincerely yours,

Brian Klug