Published 13. November 2021
Rolf Verleger ist von uns gegangen - Unsere Mitglieder äußern sich dazu
Liebe alle,
die Nachricht von Rolfs Tod erreichte mich gestern abend über unsere Liste und ich bin immer noch fassungslos, schockiert und traurig. Sein Mail von Ende Oktober verschwand unter meinen zahlreichen ungelesenen E-Mails und so war ich nicht darauf vorbeitet, dass er geht.
Ich lernte Rolf 2008 beim Limmud-Festival am Werbellinsee treffen. Er gab dort einen Workshop, der inaltlich Israel kritisierte (die Details sind mir entfallen) und an dem ich teilnahm. Ich erinnere mich nicht mehr an den Titel, aber ich erinnere mich sehr gut an die feindliche Stimmung, die Rolf in der kleinen Runde von Teilnemer_innen entgegenschlug, an die freundliche Vehemenz, mit der er Gegenargumenten und Angriffen aus den eigenen jüdischen Reihen begegnete. Ich erinnere mich auch sehr gut daran, wie müde er danach aussah und wie sich sein Gesicht aufhellte, als ich - die den ganzen Workshop über still geblieben war - danach, als der Raum sich leerte, zu ihm ging und mich bei ihm bedankte. Ich war damals mitten im emotional aufwühlenden Prozess des mich-Loslösens von den zionistischen Narrativen, mit denen ich aufgewachsen war und die für mich so selbstversändlich und unumstößlich und so verstrickt mit Jüdischsein waren. Rolf war der erste deutsche Jude, dem ich - noch dazu in einem (Mainstream) jüdischen Kontext - begegnete, der artikulierte, was ich fühlte. Der Kritik an Israel äußerte und dennoch bzw. genau deswegen sein Jüdischsein stolz behauptete. Diese erste Begegnung war rückblickend so wichtig und prägend für mich. Zu wissen, zu spüren, es gibt andere in Deutschland/Österreich sozialisierte Jüd*innen, die wie ich denken in Bezug auf Israel. Das bestärkte mich auf meinem Weg ungemein. Ich kaufte mir noch auf dem Festival sein Buch "Israels Irrweg" und verschlang es in den Tagen danach. An den Workshop in Werbellinsee denke ich auch deswegen noch öfter zurück, weil mir diese erste innerjüdische Konfrontation auch deutlich vor Augen führte, welchen Preis wir zahlen, wenn wir am zionistischen Statusquo in unseren Gemeinden und Gemeinschaften rütteln und diesen aufbrechen wollen: Entfremdung. Emotionale Distanz. Ausschluss. Das war in Rolfs Gesicht damals schon zu lesen. Und doch war und blieb er unermüdlich. Besonders beeindruckt hat mich persönlich über die Jahre auch, wie vergnügt Rolf oft in die Auseinanderstzung ging, ja, wie vergnügt und streitlustig im besten Sinne er auch angesichts von Diffamierungen blieb.
Zuletzt habe ich Rolf 2018 in Wien getroffen, zufällig an Simchat Torah. Er war seit Kurzem in Pension und voller Tatendrang - einerseits politisch, aber auch privat in seiner Rolle als Großvater, an der er sich sehr erfreute. Bei diesem Treffen schenkte er mir auch ein Exemplar seines Buches "Hundert Jahre Heimatland?" und schrieb mir eine Widmung mit den Worten "in Hoffnung auf eine goldene Zukunft für das Judentum".
Er wird fehlen. Zichrono livracha.
Warme Grüße aus Wien,
Ruth-Orli Moshkovitz
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Rolf Verleger ist für immer von uns gegangen.
Selig sei sein Andenken, - in Würde hochgehalten.
Meine Gedanken sind bei Rolfs Ehefrau, Kindern und Enkeln
sowie bei seiner 96-jährigen Mutter.
Möge es Ihnen/Euch Trost spenden,
Rolf am nächsten gewesen und von ihm so geliebt worden zu sein.
Unsere Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e. V. hat mit Rolf Verleger eine wichtige, in der Bundesrepublik Deutschland viel beachtete, allenthalben geschätzte Stimme in Sachen gerechter und lebbarer Frieden zwischen Israel und Palästina verloren.
Auch ich werde seine orientierenden Interventionen schmerzlich vermissen. Seine Gelassenheit und die - bei aller Freundlichkeit - in der Sache doch unmissverständlich klaren Worte, die er mit profundem historischen Wissen allseitig gut informiert in Solidarität mit dem palästinensischen und israelischen Widerstand gegen die Besatzung palästinensischer Territorien vorzubringen wusste; vor allem aber seine leidenschaftliche Positionierung gegen die Entrechtung der palästinensischen Bevölkerung - dort und ebenso innerhalb der international anerkannten Staatsgrenzen Israels -, werden unzähligen Menschen in Erinnerung bleiben.
Waren sie doch unverkennbar von seiner tiefen Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Rechtsgleichheit getragen, nach Gleichwertigkeit von Mensch und Mensch, ungeachtet der nationalen Herkunft, Religionszugehörigkeit, Ethnie oder sozialen Stellung.
Eine wahrlich tiefe Sehnsucht, die Rolf bei Vorträgen oftmals mit der Zuhörerschaft teilte: "Ich wurde als zweiter Sohn meinem Vater, Ernst Verleger, geboren, der in Auschwitz seine erste Frau und drei Söhne sowie Eltern und fünf der sieben Geschwister verloren hatte und nach der Befreiung bald meine Mutter, Helga Verleger, heiratete, um eine Familie zu gründen und Nachkommen Leben und Liebe zu schenken."
So übersetzte Rolf Verleger das "Nie Wieder!" von Buchenwald am Ende eines Vortrags oftmals in die Worte des altvorderen jüdischen Schriftgelehrten Hillel (ca. 30 vNZ):
„Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.
Das ist die ganze Tora, alles andere ist Kommentierung.“
Rolf verstellte sich nie. Er wollte nicht nur Gerechtigkeit in der Welt. Es ging ihm gleichsam stets um Freundlichkeit und Respekt gegenüber Andersdenkende. Um menschene Nächstenliebe eben.
Fanny-Michaela Reisin Berlin, am 11. November 2021
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Liebe alle,
ja, das ist wirklich sehr schockierend und traurig!
Ich kannte ihn tatsächlich seit etwa 2006, also, wir haben uns damals gelegentlich unterhalten, kurz nach seiner Kritik am Libanon-Krieg, habe darauf auch irgendwann eines seiner Bücher für die Süddeutsche rezensiert.
Er war ein sehr konsequenter, zugleich eher besonnener Mensch, der auch unter Bezug auf seine Eltern und deren Tradition an seiner Haltung, die eben sich auch historisch-biografisch sich von einer zionistischen Tradition absetzte sich engagierte, wie er sich engagierte.
Eindrucksvoll, wie er auch angesichts des Sturms der Entrüstung, der ihn traf, seinen Weg fortsetzte.
Für mich mit meiner naiven Kinderseele immer auch nochmal schockierend zusätzlich, dass ein so aktiver Mensch so früh von der Welt gehen kann.
Da bleibt nur, sein ehrendes Andenken zu bewahren, seinen Familienmitgliedern alles Gute zu wünschen und gemeinsam gut füreinander im Leben zu sorgen und sich so wenig wie möglich zu zermürben.
Liebe Grüße,
Martin Forberg
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Erst im Nachhinein erfuhr ich nun, dass es mehr Übereinstimmungen zwischen uns gab, als ich es wahr genommen habe.
Er war sehr mutig und aufrecht und ich empfinde, dass diese Energie ähnlich in den Jüdischen Umwelt Aktivistin*nnen im Namen der Jüdischen Werte gegen den CEO von Black Rock in New York weiter wirken.
Gehe in Frieden, danke Rolf !
Ruth / Zuala Luschnat
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die Nachricht von Rolfs Tod erreichte mich gestern abend über unsere Liste und ich bin immer noch fassungslos, schockiert und traurig. Sein Mail von Ende Oktober verschwand unter meinen zahlreichen ungelesenen E-Mails und so war ich nicht darauf vorbeitet, dass er geht.
Ich lernte Rolf 2008 beim Limmud-Festival am Werbellinsee treffen. Er gab dort einen Workshop, der inaltlich Israel kritisierte (die Details sind mir entfallen) und an dem ich teilnahm. Ich erinnere mich nicht mehr an den Titel, aber ich erinnere mich sehr gut an die feindliche Stimmung, die Rolf in der kleinen Runde von Teilnemer_innen entgegenschlug, an die freundliche Vehemenz, mit der er Gegenargumenten und Angriffen aus den eigenen jüdischen Reihen begegnete. Ich erinnere mich auch sehr gut daran, wie müde er danach aussah und wie sich sein Gesicht aufhellte, als ich - die den ganzen Workshop über still geblieben war - danach, als der Raum sich leerte, zu ihm ging und mich bei ihm bedankte. Ich war damals mitten im emotional aufwühlenden Prozess des mich-Loslösens von den zionistischen Narrativen, mit denen ich aufgewachsen war und die für mich so selbstversändlich und unumstößlich und so verstrickt mit Jüdischsein waren. Rolf war der erste deutsche Jude, dem ich - noch dazu in einem (Mainstream) jüdischen Kontext - begegnete, der artikulierte, was ich fühlte. Der Kritik an Israel äußerte und dennoch bzw. genau deswegen sein Jüdischsein stolz behauptete. Diese erste Begegnung war rückblickend so wichtig und prägend für mich. Zu wissen, zu spüren, es gibt andere in Deutschland/Österreich sozialisierte Jüd*innen, die wie ich denken in Bezug auf Israel. Das bestärkte mich auf meinem Weg ungemein. Ich kaufte mir noch auf dem Festival sein Buch "Israels Irrweg" und verschlang es in den Tagen danach. An den Workshop in Werbellinsee denke ich auch deswegen noch öfter zurück, weil mir diese erste innerjüdische Konfrontation auch deutlich vor Augen führte, welchen Preis wir zahlen, wenn wir am zionistischen Statusquo in unseren Gemeinden und Gemeinschaften rütteln und diesen aufbrechen wollen: Entfremdung. Emotionale Distanz. Ausschluss. Das war in Rolfs Gesicht damals schon zu lesen. Und doch war und blieb er unermüdlich. Besonders beeindruckt hat mich persönlich über die Jahre auch, wie vergnügt Rolf oft in die Auseinanderstzung ging, ja, wie vergnügt und streitlustig im besten Sinne er auch angesichts von Diffamierungen blieb.
Zuletzt habe ich Rolf 2018 in Wien getroffen, zufällig an Simchat Torah. Er war seit Kurzem in Pension und voller Tatendrang - einerseits politisch, aber auch privat in seiner Rolle als Großvater, an der er sich sehr erfreute. Bei diesem Treffen schenkte er mir auch ein Exemplar seines Buches "Hundert Jahre Heimatland?" und schrieb mir eine Widmung mit den Worten "in Hoffnung auf eine goldene Zukunft für das Judentum".
Er wird fehlen. Zichrono livracha.
Warme Grüße aus Wien,
Ruth-Orli Moshkovitz
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Für Rolf
Seinen Namen hörte ich zuerst an einem sonnigen Vormittag 2006, als das israelische Militär wieder in den Libanon eindrang. Ein Mitglied im Zentralrat der Juden habe gegen diese Aktion protestiert, hieß es, habe sie kritisiert. Zum ersten Mal. Das hat mich gewiss bestärkt, ein Plakat zu malen: Nicht in unserem Namen! Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost – Eine andere jüdische Stimme – und später loszuziehen, mich mit ein paar anderen auf den Steinplatz in Berlin hinzustellen, gegen die offizielle „Solidarität mit Israel“ Demonstration der Jüdischen Gemeinde, die nebenan stattfand. Das Gefühl, das ich damals hatte und als ich seinen Brief in der Zeitung las, war: Wir sind nicht allein. Endlich. Endlich hatte jemand im deutsch-jüdischen Establishment die verfahrene, zunehmend verbrecherische Politik des Staates Israel öffentlich kritisiert. Bis zu jenem Zeitpunkt – die Jüdische Stimme hatte sich 2003 gegründet und war noch nicht ein Verein – waren unsere Worte nur ein Ruf in der Wüste.
Als wir uns später kennenlernten – Rolf präsentierte die erste Fassung seiner Berlin-Erklärung – hielt ich den Atem an, als er von einigen Anwesenden gebeten wurde, bestimmte, für problematisch geachtete Sätze zu streichen. Er hat sie nicht gestrichen. Er stand zu seiner Erklärung und seinen Prinzipien. Sein Zitat von Hillel wiederholte er oft: Was dir unlieb ist, tue das deinem Nachbarn nicht an. Er blieb – trotz aller Angriffe von außen - bis zum Schluß sich selbst treu.
Er war wohl auch der einzige im deutsch-jüdischen Establishment bis heute, der den Mut gehabt hat, kontroverse, unangenehme Wahrheiten deutlich auszusprechen und dazu zu stehen.
Er wird uns sehr fehlen.
Ruth Fruchtman
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Rolf Verleger ist für immer von uns gegangen.
Selig sei sein Andenken, - in Würde hochgehalten.
Meine Gedanken sind bei Rolfs Ehefrau, Kindern und Enkeln
sowie bei seiner 96-jährigen Mutter.
Möge es Ihnen/Euch Trost spenden,
Rolf am nächsten gewesen und von ihm so geliebt worden zu sein.
Unsere Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e. V. hat mit Rolf Verleger eine wichtige, in der Bundesrepublik Deutschland viel beachtete, allenthalben geschätzte Stimme in Sachen gerechter und lebbarer Frieden zwischen Israel und Palästina verloren.
Auch ich werde seine orientierenden Interventionen schmerzlich vermissen. Seine Gelassenheit und die - bei aller Freundlichkeit - in der Sache doch unmissverständlich klaren Worte, die er mit profundem historischen Wissen allseitig gut informiert in Solidarität mit dem palästinensischen und israelischen Widerstand gegen die Besatzung palästinensischer Territorien vorzubringen wusste; vor allem aber seine leidenschaftliche Positionierung gegen die Entrechtung der palästinensischen Bevölkerung - dort und ebenso innerhalb der international anerkannten Staatsgrenzen Israels -, werden unzähligen Menschen in Erinnerung bleiben.
Waren sie doch unverkennbar von seiner tiefen Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Rechtsgleichheit getragen, nach Gleichwertigkeit von Mensch und Mensch, ungeachtet der nationalen Herkunft, Religionszugehörigkeit, Ethnie oder sozialen Stellung.
Eine wahrlich tiefe Sehnsucht, die Rolf bei Vorträgen oftmals mit der Zuhörerschaft teilte: "Ich wurde als zweiter Sohn meinem Vater, Ernst Verleger, geboren, der in Auschwitz seine erste Frau und drei Söhne sowie Eltern und fünf der sieben Geschwister verloren hatte und nach der Befreiung bald meine Mutter, Helga Verleger, heiratete, um eine Familie zu gründen und Nachkommen Leben und Liebe zu schenken."
So übersetzte Rolf Verleger das "Nie Wieder!" von Buchenwald am Ende eines Vortrags oftmals in die Worte des altvorderen jüdischen Schriftgelehrten Hillel (ca. 30 vNZ):
„Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.
Das ist die ganze Tora, alles andere ist Kommentierung.“
Rolf verstellte sich nie. Er wollte nicht nur Gerechtigkeit in der Welt. Es ging ihm gleichsam stets um Freundlichkeit und Respekt gegenüber Andersdenkende. Um menschene Nächstenliebe eben.
Fanny-Michaela Reisin Berlin, am 11. November 2021
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Liebe alle,
ja, das ist wirklich sehr schockierend und traurig!
Ich kannte ihn tatsächlich seit etwa 2006, also, wir haben uns damals gelegentlich unterhalten, kurz nach seiner Kritik am Libanon-Krieg, habe darauf auch irgendwann eines seiner Bücher für die Süddeutsche rezensiert.
Er war ein sehr konsequenter, zugleich eher besonnener Mensch, der auch unter Bezug auf seine Eltern und deren Tradition an seiner Haltung, die eben sich auch historisch-biografisch sich von einer zionistischen Tradition absetzte sich engagierte, wie er sich engagierte.
Eindrucksvoll, wie er auch angesichts des Sturms der Entrüstung, der ihn traf, seinen Weg fortsetzte.
Für mich mit meiner naiven Kinderseele immer auch nochmal schockierend zusätzlich, dass ein so aktiver Mensch so früh von der Welt gehen kann.
Da bleibt nur, sein ehrendes Andenken zu bewahren, seinen Familienmitgliedern alles Gute zu wünschen und gemeinsam gut füreinander im Leben zu sorgen und sich so wenig wie möglich zu zermürben.
Liebe Grüße,
Martin Forberg
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Erst im Nachhinein erfuhr ich nun, dass es mehr Übereinstimmungen zwischen uns gab, als ich es wahr genommen habe.
Er war sehr mutig und aufrecht und ich empfinde, dass diese Energie ähnlich in den Jüdischen Umwelt Aktivistin*nnen im Namen der Jüdischen Werte gegen den CEO von Black Rock in New York weiter wirken.
Gehe in Frieden, danke Rolf !
Ruth / Zuala Luschnat
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Ich bedaure sehr, dass ich diesen Menschen nicht persönlich kennen gelernt habe. Tatsächlich bin ich über seine Schriften online gestolpert, bevor mir unsere Organisation "Jüdische Stimme" ein Begriff war. Es tat sehr gut, seine verschriftlichten Ansichten zu lesen und zu merken, dass meine Gedanken und Irritationen, was den öffentlichen Umgang mit Antisemitismus, Shoah und Israel, sowie verwandten Themen anbelangt, offenbar mit gewissen jüdischen Menschen resonierten. Umso positiver meine Überraschung, als ich rausfand, dass er Mitglied bei JS war und ich diesen inspirierenden Menschen eventuell mal in Person erleben würde.
Ich bin auch zutiefst beeindruckt von seiner Standhaftigkeit, in all dem Gegenwind, der ihm in Deutschland entgegenschlug. Ich hoffe er hat in den letzten Stunden in diesem Körper nicht allzu viel leiden müssen.
Liebe Grüße an alle,
Emma Joy Bicknell