Antwort auf den „Aufruf aus Israel“
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Antwort auf den „Aufruf aus Israel“

 

Wir, die Mitglieder der Jüdischen Stimme, begrüßen Euren Aufruf.

Wie Ihr beobachten wir besorgt die Geschehnisse in Israel. Euer Aufruf zeigt, dass immer mehr israelische Juden Unrecht spüren und sich deshalb veranlasst sehen, das Ausland anzurufen. Indem Ihr euch nach außen wendet, weist ihr darauf hin, dass sich die israelische Gesellschaft in einer tiefen Krise befindet. Es gibt offenkundig nicht genug Menschen, die gewillt sind, eine zivile Gesellschaft aufzubauen, in der eine öffentliche Debatte über moralische Werte und Gesellschaftsmodelle stattfinden könnte. Selbst die Anzahl der Menschen, deren Ziel es ist, die Unterdrückung und Benachteiligung großer Teile der israelischen Gesellschaft zu beseitigen, ist verschwindend klein. Es gibt demnach innerhalb Israels nicht ausreichend starke Kräfte, die fähig wären, einen grundlegenden Wandel herbeizuführen. Und ohne Druck von außen ist es leider schwer vorstellbar, wie dieser lang ersehnte Wandel herbeigeführt werden könnte.

Vor dem Hintergrund dieser Situation haben wir uns zur Unterstützung einer von Palästinensern initiierten, inzwischen internationalen Bewegung entschlossen, die in der Welt als BDS (Boykott, Divestment, Sanctions) bekannt ist. Anders als Ihr sind wir allerdings nicht der Meinung, dass es früher moralische Werte gab, die verloren gegangen sind und zu denen man zurückkehren könnte. Den Palästinensern wurde seit Gründung des israelischen Staates das Recht auf Grund und Boden verweigert, und die Landesgrenzen wurden absichtlich unbestimmt gehalten. Palästinensische Einwohner wurden Opfer staatlicher Gewalt (De’ir Jassin, “Tag des Bodens”, dreizehn Opfer im Oktober 2000 im sogenannten “Dreieck“). Alle israelischen Regierungen haben von Anfang an die angestammten Ländereien und Ortschaften der israelischen Palästinenser geplündert. Der Bevölkerung wurde und wird bis heute jedes Anrecht auf Entfaltung und ein unabhängiges, freies Leben verwehrt, das andererseits jedem Neueinwanderer, der sein “Jüdischsein” dokumentieren kann, freizügig gewährt wird. Das “liberale Israel”, das ihr preist, war und ist eines für Juden allein.

Wir würden erwarten, dass Akademiker, die im heutigen Israel ein geregeltes Leben führen können, sich in Anspruch und Tat wie Émile Zola verhalten. Die Größe Zolas liegt nicht nur in der Veröffentlichung seines gegen die Regierung gerichteten J'accuse („Ich klage an“), sondern auch in seinem Mut, die Realität zu erkennen und zu benennen. Dieser Aspekt fehlt leider in Eurem Aufruf.

Wir würden uns wünschen, dass Ihr als Akademiker, die sich im Namen jüdischer Werte an jüdische Gemeinschaften außerhalb Israels wenden, auch mit einer Selbstprüfung im eigenen Haus beginnt, zum Beispiel: ein Teil der Büros des israelischen Geheimdienstes befindet sich an der Universität Tel Aviv, die israelische Akademie beteiligt sich also aktiv an der Aufrechterhaltung der israelischen Besatzung. http://alrasedproject.files.wordpress.com/2013/02/alrased1_eng.pdf

Eine Kooperation kann nur auf der Grundlage einer gemeinsamen Anerkennung der dringenden Notwendigkeit erfolgen, den israelischen Staat in einen Staat mit demokratischen Strukturen für alle seine Einwohner zu verwandeln, der keine Privilegien einer ethnischen Gruppe auf Kosten einer anderen duldet.

Berlin, 15. April, 2013

Aufruf aus Israel:  http://www.freunde-palaestinas.de/berichte/67-ein-aufruf-aus-israel-an-juden-in-aller-welt.html