Bank für Sozialwirtschaft kann nicht ihre eigene Urteilskraft vertrauen und Verantwortung übernehmen
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28.6.2019
Sehr geehrter Herr Professor Schmitz,
Sehr geehrte Frau Rüth,
die Bank für Sozialwirtschaft hat sich erneut entschieden, das Konto der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V. (Jüdische Stimme) zu schließen, nachdem Sie es ihr bereits 2016 gekündigt und es nicht einmal für nötig befunden hatten, der Jüdischen Stimme dies mitzuteilen. Sie, die Verantwortlichen der Bank, hielten es damals vielmehr für angebracht, über diesen Schritt als erstes eine israelische Zeitung zu informieren und nicht den betroffenen Verein. Ihr Vorgehen seit nunmehr rund drei Jahren gegenüber einer Vereinigung, die sich einer friedlichen und gerechten Lösung für Israelis und Palästinenser verschrieben hat, kann ich mir nicht anders als durch vorauseilenden Gehorsam Ihrerseits gegenüber einer Regierung und dieser verbundenen Institutionen erklären.
Ihr durch nichts zu rechtfertigender Schritt der Diskriminierung eines Ihrer Kunden durch stillschweigende Kontoschließung löste seinerzeit innerhalb und außerhalb Deutschlands eine Welle des Protests und der Solidarität mit der Jüdischen Stimme aus. Dies schien Sie zu veranlassen, Ihr Vorgehen gegen einen Verein zu überdenken, der sich für Frieden auf der Grundlage gleicher Rechte einsetzt wie dies im Übrigen auch andere Kunden Ihrer Bank tun. Sie eröffneten erneut das Konto der Jüdischen Stimme.
Doch offenbar hatten Sie nichts überdacht, und offenbar waren Sie nicht so weit gediehen, Ihrer eigenen Urteilskraft zu vertrauen und Verantwortung für Ihre Entscheidungen zu übernehmen. Sie verstiegen sich dazu, eine Expertin des Zentrums für Antisemitismusforschung zu beauftragen, die an Ihrer Stelle entscheiden sollte, ob die Jüdische Stimme, ein Verein von in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden, manche von ihnen Nachkommen von Holocaust-Überlebenden, antisemitisch sei oder nicht. Nach einem Appell israelischer und jüdischer Akademiker, von diesem absurden Unterfangen abzusehen, wurde es schließlich abgeblasen.
Es bleibt befremdlich, dass Sie überhaupt eine solche in Auftrag gegebene Gesinnungsprüfung gegenüber der Jüdischen Stimme in Betracht gezogen haben und erst durch Stimmen von außen davon abgebracht werden konnten. Befremdlich ist es schon allein deshalb, weil jeder erwachsene Mensch, der zur Schule oder gar zur Universität gegangen ist, unschwer feststellen kann, ob ein Verein, der öffentlich agiert, antisemitisch ist oder nicht.
Nachdem Sie sich, von allen Experten verlassen, zu einer selbständigen Beurteilung offenbar nach wie vor nicht in der Lage sehen, sind Sie dem Druck der israelischen Regierung und anderer Institutionen "schutzlos" ausgeliefert. Sie haben dem nichts entgegenzusetzen, wenn von Ihnen verlangt wird, dieJüdische Stimme vor die Tür zu setzen, falls diese sich nicht von der BDS-Kampagne für die Rechte der Palästinenser*innen distanziert.
Nun bringt Sie die Jüdische Stimme in Verlegenheit, da sie – im Unterschied zu Ihnen – auch bei Gegenwind zu ihren Grundüberzeugungen steht und sich nicht durch irgendeinen Druck davon abbringen lässt: Alle Menschen haben das Recht auf gleiche Rechte, und Solidarität bedeutet dafür einzustehen. Ich nehme an, dass auch Sie trotz Ihres konträren Verhaltens diesen Satz unterschreiben würden und auch vom Grundsatz der Meinungs- und Diskussionsfreiheit als elementaren Voraussetzungen einer funktionierenden Demokratie überzeugt sind.
Nachdem die Geschichte der Bank für Sozialwirtschaft (bzw. der Vorgängerin, der Kreditanstalt für die gesamten Wohlfahrtseinrichtungen) bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik reicht, dürfte Ihnen das Phänomen nicht ganz unbekannt sein: Wenn sich viele oder die meisten bereits in Zeiten, in denen es nicht viel kostet, in vorauseilendem Gehorsam unterwerfen, gibt es keinen wirksamen Widerstand gegen Antisemitismus oder andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und der mörderischen Ausgrenzung. Und um die Meinungs- und Diskussionsfreiheit ist es allemal geschehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Sophia Deeg
(Übersetzerin, Herausgeberin, Autorin)
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1.7.2019
Sehr geehrte Frau Deeg,
die Entscheidung der Bank für Sozialwirtschaft hat eine komplexe Vorgeschichte und wurde nach mehreren Gesprächen mit der „Jüdischen Stimme“ und einem Mediationsprozess, in dem versucht wurde, eine für beide Seiten tragfähig Lösung zu finden, getroffen. Hier wurde unter anderem klargestellt, dass die Bank nicht die richtige Plattform für die Debatte um die BDS-Kampagne ist. Wegen der Kontoverbindung zur Jüdischen Stimme wurde sie jedoch immer mehr dazu gemacht. Die Hintergründe dazu haben wir in einem Statement zusammengefasst, das Sie unter https://www.sozialbank.de/
Mit freundlichen Grüßen
Stephanie Rüth
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Bank für Sozialwirtschaft AG
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5.7.2019