Der Mai ist immer eine heiße Phase für die Palästina-Bewegung, da es der Nakba-Monat ist und der Nakba-Tag sich genau in der Mitte befindet, am 15. Letztes Jahr wurden in Berlin mehrere Nakba-Demonstrationen verboten, auch eine Mahnwache von uns; dies hat uns zusammen mit Palästina Spricht nun dazu veranlasst, gerichtlich gegen die Verbote vorzugehen, welche Verstöße gegen das Versammlungsrecht und die Meinungsfreiheit darstellen.
Auch dieses Jahr kam es zu Verboten, die Berliner Polizei ging sogar noch radikaler vor: Es wurden nicht weniger als sieben Demonstrationen unterbunden. Eine Kulturveranstaltung, die am 13. Mai am Hermannplatz stattfand und bei der unser Vorstandsmitglied Udi Raz sprechen sollte, wurde dahingehend eingeschränkt, dass es keine politischen Äußerungen geben durfte – keine Reden oder Statements, nicht einmal politische Literatur am Bücherstand. Die einzige Demonstration, die letztlich erlaubt wurde, war diejenige, die in unserem Namen als ausdrücklich jüdisch-palästinensische stattfand. Obwohl sie nicht verboten wurde, hat die Polizei nach durchgehend aggressiver Grundhaltung am Schluss gewaltsam interveniert. Mehrere Teilnehmende wurden angegriffen und verhaftet. Danach kam es zu einer völlig verzerrten Berichterstattung, die wir in unserem Statement zur Demonstration insgesamt beschreiben.
Glücklicherweise kam es in anderen Städten nicht zu solchen Repressalien. Mitglieder der Jüdischen Stimme haben auf Demonstrationen in Frankfurt, Mainz, Stuttgart und Mannheim gesprochen. Fanny-Michaela Reisin hat uns als Schirmfrau und Rednerin beim zentralen Nakba-Gedenken, zu dem das PAKOS auf dem Stuttgarter Schlossplatz aufrief, vertreten. Shir Hever war für uns bei einer Gesprächsveranstaltung in Göttingen mit BIPOC for Future, und unser Vorsitzender Wieland Hoban war in Weimar bei der Kulturbrücke Palästina Thüringen zu Gast und auch beim Marx is’ Muss Kongress, wo es mehrere Veranstaltungen zu Palästina gab. Davor, am 11. Mai, haben wir zusammen mit Palästina Spricht in Berlin einen Vortrag von Clifton West, einem Black Lives Matter-Aktivisten aus den USA, veranstaltet. Er wurde von publicsolidarity gefilmt und online gestellt.
Am 27. Juni hat Udi Raz uns bei einer Podiumsdiskussion im Haus der Demokratie und Menschenrechte vertreten. Dabei ging es um die Gefährdung des Versammlungsrechts im Zusammenhang der Demonstrationsverbote.
Anfang Juli ist die israelische Armee, nachdem sie bereits zum ersten Mal seit der Zweiten Intifada das Flüchtlingslager von Jenin im Westjordanland aus der Luft angegriffen hatte, dort einmarschiert. Die Kämpfer vor Ort haben nach Kräften Widerstand geleistet, aber die Armee hat – zusätzlich zur Tötung von zehn jungen Kämpfern und zwei Zivilist:innen (fünf der zwölf Toten waren minderjährig) – in diesem engst besiedelten Gebiet von 0,42 Quadratkilometern mit einer Heftigkeit verwüstet, die an 2002 erinnerte. Es gab ein internationales Protestschreiben dazu, das wir zusammen mit einem Artikel aus dem Spiegel geteilt haben.
Etwa zur gleich Zeit gab es ein Gespräch zwischen dem Journalisten Tilo Jung und der Nahost-Expertin Muriel Asseburg, die 2021 das Buch Palästina und die Palästinenser veröffentlich hat, in einer Folge über Israel-Palästina in Jungs Online-Reihe Jung und Naiv. Einige ihrer Aussagen, einfache Wahrheiten zur israelischen Besatzung, führten zu vorhersehbarer Empörung, und die israelische Botschaft hat sich auf Twitter kräftig an den Angriffen beteiligt. Es gab viele Artikel dazu, und Stefan Reinecke hat in der taz einen Kommentar dazu veröffentlicht.
Die taz hat auch ein ausführliches Interview mit unserem Vorstandsmitglied Lili Sommerfeld veröffentlich, das neben ihrem Beruf als Sängerin und Chorleiterin und ihrer Arbeit als Queer-Aktivistin auch ihre Rolle in der Jüdischen Stimme behandelt. Dabei wird auch der allmähliche Bewusstseinswandel in Sachen Israel-Palästina beschrieben, der zu ihrer heutigen politischen Position geführt hat.
Handala, das Schiff der Freedom Flotilla Coalition, an der auch unser Mitglied Zohar Chamberlain Regev beteiligt ist, segelt demnächst durch Nordeuropa, dann nächstes Jahr in Richtung Gaza. Anfang August macht es in Hamburg für ein paar Tage halt, und zu diesem Anlass wird es eine Feier sowie Veranstaltungen geben, an denen wir uns auch beteiligen werden. Wir wünschen diesen mutigen Aktivist:innen bei ihrem Versuch, die Blockade zu brechen oder zumindest unter den Augen der Welt auf deren Grausamkeit hinzuweisen, sowohl Erfolg als auch Sicherheit, da wir die Brutalität der israelischen Marine kennen. Im nächsten Newsletter werden wir davon berichten.
Im November feiert die Jüdische Stimme ihr 20. Jubiläum. Es wird zu diesem Anlass eine besondere Veranstaltung in Berlin mit künstlerischen und politischen Inhalten geben. Ort und Datum werden noch bekanntgegeben. Außerdem sollen über das gesamte Festjahr – also bis November 2024 – einige besondere Projekte ins Leben gerufen werden. Wir sind sehr dankbar für Spenden, die leicht über unsere Website getätigt werden können, entweder einmalig oder regelmäßig.