Die Jüdische Stimme trauert um ihr Ehrenmitglied Felicia Langer
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Die Jüdische Stimme trauert um ihr Ehrenmitglied Felicia Langer

Nachruf

Die Jüdische Stimme trauert um ihr Ehrenmitglied Felicia Langer

 

Nachruf

 

Am Freitag, 22. Juni 2018 verstarb unser Ehrenmitglied Felicia-Amalia Langer geb. Weid friedlich im Kreis ihrer Familie.

Felicia wurde für ihre unbeugsame und unerschrockene Entschlossenheit, wo immer sie lebt und auch unter widrigsten Bedingungen, Recht, Gerechtigkeit sowie den internationalen Frieden zu verteidigen mit unzähligen Auszeichnungen bedacht. So erhielt sie 1990 den renommiertesten nichtstaatlichen, in Schweden als „Alternativer Nobelpreis“ verliehenen „Right Livelihood Award“ und ein Jahr später 1991 den „Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte“. Im Jahre 2009 wurde Felicia–Amalia Langer das ihr vom seinerzeitigen Bundespräsidenten, Prof. Dr. Horst Köhler, verliehene „Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“ überreicht. Im Jahre 2012 dekorierte schließlich Präsident Mahmoud Abbas im Beisein des Generaldelegierten Palästinas in Deutschland, Salah Abdel Shafi, Felicia Langer mit dem „Palästinensischen Orden für besondere Verdienste“. Der Orden gilt in Palästina als höchste Auszeichnung. Ich durfte dem Festakt beiwohnen und war Zeugin, wie glücklich Felicia und Mieciu – beide damals schon über 80 – über diese, wie Felicia sagte, „unschätzbar kostbare“ Auszeichnung waren, mit der Felicia für ihr Lebenswerk in Verteidigung der entrechteten PalästinenserInnen in den von Israel besetzten Gebieten geehrt wurde.

 

 



Die im polnischen Tarnow geborene Jüdin und Überlebende des Holocaust wanderte 1950 mit ihrem Ehemann Mieciu, der die Hölle von fünf Konzentrationslagern überlebt hatte, nach Israel aus. Nur ein Jahr nach seiner Hochzeit 1949 hatte das frisch vermählte Paar die Hoffnung, dass im Hoheitsgebiet des soeben gegründeten jüdischen Staats die Geißeln der Menschheit Krieg, Ausgrenzung und Hass wegen rassistischer, religiöser, ethnischer oder nationaler Gründe angesichts der Erfahrungen der Juden in Europa für immer verbannt sein würden. Mehr noch, sie waren entschlossen in Israel, gemeinsam mit den Einheimischen und den vielen neu Eingewanderten, ihre Zukunft in einer echten Demokratie aufzubauen und der Welt demonstrativ das gedeihliche Zusammenleben aller Israelis, ungeachtet der Abstammung und Herkunft so, wie in der neuerlich verkündeten Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte verbrieft, vorzuleben.

Die Hoffnung ging bekanntlich nicht auf. Felicia nahm – der einzige Sohn, Michael, war inzwischen sechs Jahre alt – 1959 das Jura-Studium auf und wurde 1965 als Anwältin zugelassen. Zunächst eröffnete sie ihr Büro in Tel-Aviv. Ihr Schwerpunkt war die Verteidigung von wirtschaftlich, sozial sowie herkunftsbedingt Benachteiligten und Unterprivilegierten allgemein aber auch der, aufgrund ihrer palästinensischen Abstammung ausgegrenzten Israelis. Nach dem, von Israel begonnenen und gewonnenen, Krieg von 1967, der die israelische Besatzung des Westjordanlands einschließlich Ostjerusalems sowie des Gazastreifens, der Sinai Halbinsel und der Golanhöhen zur Folge hatte, verlegte Felicia ihre Kanzlei nach Jerusalem und vertrat als erste und lange Zeit einzige israelische Anwältin palästinensische Männer und Frauen, Greise, Jugendliche und sogar Kinder aus den von Israel besetzten Gebieten, denen das Besatzungsregime die Grund- und Menschenrechte versagte.

 

 

[caption id="attachment_2841" align="alignnone" width="719"] ADVOCATE FELICIA LANGER COMING OUT OF THE HIGH COURT IN JERUSALEM, AFTER THE HEARING OF THE APPEAL AGAINST BASSAM SHAQA EXPULSION.[/caption]

Nach einem 23 Jahre langen, von den israelischen Gerichtshöfen, zumal den für die besetzten Gebieten zuständigen militärischen alles andere als gewürdigten Kampf um das Recht auf Rechte auch für die

palästinensische Bevölkerung dort, schloss Felicia Langer 1990 ihr Jerusalemer Büro. Sie wollte nicht länger Feigenblatt eines vermeintlichen Rechtsstaats sein, sagte sie uns später. Für Palästinenser war Recht aus ihrer Sicht ins Gegenteil verkehrt worden.

Noch im selben Jahr beschlossen Felicia und Mieciu ihrem, inzwischen nach Deutschland ausgewanderten, Sohn Michael zu folgen und ließen sich in Tübingen nieder, um in seiner Nähe zu leben.

Überflüssig zu schreiben, weil bundesweit und darüber hinaus bekannt: Beide engagierten sich, kaum waren sie eingelebt, auch in Deutschland weiterhin leidenschaftlich für Recht und Gerechtigkeit gegen Rassismus und Krieg. Vor allem aber die Causa Palästina blieb Felicia bis zum Lebensende das brennende Herzensanliegen.

Nach dem schmerzlichen Verlust ihres geliebten Mieciu, der 2015 nach langer Krankheit verstorben war und den sie – Freunden und Freundinnen vertraute sie es an – bitterlich vermisste, erwiderte Felicia auf Fragen, die ihr allzu besorgt um sie selbst schienen: „Ich lebe weiter, ich muss weiterleben und alle Energien haben! Für meinen geliebten Sohn, für meine geliebte Schwiegertochter, für meine so liebevolle Familie und – genauso wichtig! – für das mir teure palästinensische Volk.“

 

 

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Und so war es. Felicia verlor – obwohl der Krebs auch sie ergriffen hatte – ihre wachsame Aufmerksamkeit für Unrecht nicht und auch nichts, gar nichts von ihrem kraftvollen Engagement für die palästinensische Sache.

Felicia–Amalia und Mieciu hinterlassen mit fünf Enkeln und drei Urenkeln – den deutschen Faschisten zum Trotz – eine nun wahrlich große und, wie wir immer wieder hörten, glückliche Familie.

Bei ihnen sind jetzt unsere Gedanken.

Gemeinsam mit ihnen trauern weltweit unzählig viele, bei weitem nicht ausschließlich palästinensische Freunde und Freundinnen um den Weggang einer lebenslang standhaften und mutigen Kämpferin für das nationale Selbstbestimmungsrecht Palästinas sowie für Recht, Gerechtigkeit und Frieden allerorts.

Ruhe in Frieden, liebe Felicia, wir werden Deiner in Ehren gedenken.

Im Namen des Vorstands der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost

Fanny-Michaela Reisin