Zweite Rede auf der Berliner Kundgebung zum Internationalen Holocaust-Gedenktag, 26.01.2025
Liebe Freunde,
wir sind heute hier um anlässlich des Internationaler Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust an die Verbrechen des deutschen Faschismus zu erinnern und gleichzeitig zu zeigen, dass nie wieder ein solcher Völkermord geschehen darf. Leider werden wir wieder Zeuge eines Genozids, aber dazu später.
Ich möchte anhand von zwei Geschehnissen erläutern, welche Bedeutung dieser Gedenktag für mich persönlich hat.
Mein Vater, ein deutscher Jude, musste als 15jähriger 1936 Deutschland verlassen, weil die Lebensumstände unerträglich wurden. 1940 wurde er in Frankreich festgenommen und ins Konzentrationslager deportiert. Das KZ war in viele Sektionen eingeteilt. Dadurch wusste er damals nicht, dass viele Familienmitglieder im selben Konzentrationslager waren. Alle Verwandten wurden soweit sie Hunger, Kälte und Elend überstanden, nach Ausschwitz deportiert und kamen dort in die Gaskammern.
17 Millionen Menschen wurden durch die Faschisten ermordet, Juden, Antifaschisten, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen und Queers.
Allein 6 Millionen Juden.
Mein Vater und meine Großeltern hatten Glück. 1940 nach zwei Jahren Lageraufenthalt wurden sie aus dem Konzentrationslager entlassen. Wie das? Durch Verwandte, die schon Anfang der 30iger Jahre ausgewandert waren, und amerikanische jüdische Hilfsorganisationen wurden sie freigekauft und konnten ausreisen.
Inzwischen hatten die USA jedoch ein Einreiseverbot für Juden aus Europa erlassen. Viele Schiffe mit europäischen Juden mussten vor von der Küste der USA nach Europa zurückkehren. Die meisten von ihnen wurden von den Faschisten ermordet.
Mein Vater und meine Großeltern hatten erneut Glück. Sie fanden Aufnahme in Kuba. Meine Großeltern gingen später in die USA und blieben ihrem Schwur treu, nie wieder deutschen Boden zu betreten.
Mein Vater, bis dahin ein völlig unpolitischer Mensch entwickelte sich aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse zu einem überzeugten Antifaschisten und Humanisten. 1948 kehrte er nach Deutschland zurück und beteiligte sich aktiv am Aufbau eines antifaschistischen und demokratischen Deutschlands, hier in Berlin.
Warum erst 1948? Die USA hatten auch für Kuba ein Ausreiseverbot für deutsche Antifaschisten verhängt. Es sollte ihre Rückkehr verhindert werden, und so dauerte es 3 Jahre bis meinen Vater die Gelegenheit zu illegaler Ausreise aus Kuba erhielt.
Über seine Zeit im Konzentrationslager hat mein Vater nie gesprochen.
Nur durch kleine Erzählungen unserer Mutter und durch nach seinem Tod gefundene Aufzeichnungen, konnten wir weiter recherchieren und mehr über sein Leben erfahren.
Über zwei Episoden möchte ich Euch berichten.
Ich war ungefähr 10 Jahre alt. Von einem Freund, dessen Katze Junge bekommen hatte, erhielt ich ein kleines Kätzchen. Ich versorgte und versteckte es in unserem Keller. Das ging nur wenige Tage gut. Mein Vater hatte es mitbekommen. Er, ein ansonsten sehr liebevoller und herzlicher Mensch, verlangte von mir konsequent das Kätzchen wieder wegzubringen. Ich war überaus traurig.
Meine Mutter nahm mich kurze Zeit später zu Seite und erzählte mir, dass unser Vater, um zu überleben im Lager auch streunende Hunde und Katzen gegessen hatte. Deshalb darf es bei uns keine Haustriere geben.
Die zweite Episode: Verwandte in Deutschland hatten wir keine mehr, aber viele antifaschistische Freunde und Bekannte, darunter auch viele jüdischer Abstammung. Für mich war es normal, bei ihnen die eintätowierte Häftlingsnummer aus dem KZ zu sehen. Freunde von mir waren verwundert, sie kannten die Tatsache der tätowierten Häftlingsnummer nicht und ich musste ihnen das erklären.
So wuchs ich auf und entwickelte mich zu einem konsequenten Antifaschisten und Humanisten. Das prägt auch meine heutige Haltung und mein Auftreten.
Es erschüttert mich zutiefst und macht mich wütend, dass erneut vor den Augen der ganzen Welt ein Völkermord geschieht. Ein Genozid an den Palästinensern. Fast 120 Tausend Palästinenser wurden ermordet und über 110 Tausend zum Teil schwer verletzt, überwiegend Frauen und Kinder.
„Babys und Kleinkinder sind ja Hamaskämpfer, Terroristen und müssen, so Israel vernichtet werden.“ Jede Stunde wurde ein Kind in Gaza getötet. Der israelische Völkermord in Gaza hat 40 Tausend palästinensische Kinder zu Waisen gemacht.
Wir haben uns mit den Palästinensern gefreut, dass endlich eine Waffenruhe vereinbart wurde und das brutale Morden ein Ende hat.
Doch was bleibt im Gazastreifen: Zerstörung und Verwüstung ungeheuren Ausmaßes.
Und nun richtet die israelische Armee ihre barbarischen Angriffe gegen die Palästinenser im Westjordanland.
Nicht zu vergessen die illegale Besetzung der Golanhöhen, die brutalen Angriffe Israels auf den Libanon und Syrien.
Für alles ist die faschistische Regierung, das faschistische Regime in Israel verantwortlich. Hier ergibt sich für mich der Vergleich des Faschismus in Deutschland und dem faschistischen Regime in Israel: zweimal Völkermord und dies trotz des Schwurs, Nie wieder!
Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust müssen wir auch an den Völkermord in Gaza denken, dagegen auftreten und getreu dem Motto unseres Vereins kämpfen.
Wir müssen auch daran erinnern, dass viele in der Welt dem Völkermord in Gaza zusehen und sogar unterstützen. Die USA, auch unter dem neuen Präsidenten und Deutschland unterstützen die Politik Israels und helfen bei dem Genozid.
Als eine der ersten Maßnahmen hat Trump die Sanktionen gegen die illegalen Siedler aufgeboben. Der israelische Finanzminister Smodrich sagte am 20. Januar: „Gaza ist zerstört und zerbrochen, unbewohnbar, und das wird auch so bleiben. Sehr bald werden wir ihr Lächeln wieder auslöschen und es durch Schreie der Trauer und das Wehklagen derer ersetzen, die mit nichts zurückgelassen wurden.“ Ende des Zitats.
Und wie verhält sich Deutschland, die Regierung, die Medien?
Die deutschen Rüstungsexporte erreichten 2024 mit 13 Milliarden Euro einen neuen Höchststand, davon 161 Millionen an Israel.
Deutschland mit der sogenannten „Staatsräson“ zahlt immer noch Opferrenten an Nazi-Täter. Noch heute bekommen selbst Angehörige der Waffen-SS- im Ausland Kriegsopferrente.
Während etliche Holocaustüberlebende keinerlei Entschädigung bekamen, zahlt Deutschland bis heute SS-Angehörigen, Wehrmachtssoldaten und NS-Kollaborateuren bzw. ihren Hinterbliebenen in ganz Europa zusätzliche Renten.Sie gehörten zum Personal der Konzentrationslager, schlossen sich als ausländische Freiwillige der Waffen-SS an oder beteiligten sich an Massakern der Wehrmacht. Und sie profitierten finanziell bis zu ihrem Lebensende davon, dass sie auf der Seite der Täter standen.
Ein Beispiel: Ein ehemaliger KZ-Wärter bezog jahrzehntelang Kriegsopferrente, weil bei ihm nach dem Krieg ein Nierenschaden diagnostiziert wurde. Dieser sei entstanden, weil er während seiner 10-tägigen Kriegsgefangenschaft auf dem kalten Steinfußboden habe schlafen müssen.
Aktuell erklärte der CDU-Chef Merz: „Der Haftbefehl des internationalen Strafgerichtshof gelten nur für Despoten, nicht für Demokraten wie Netanjahu, er werde alles tun, um eine Vollstreckung dieses Haftbefehls abzuwenden".
Hier wird deutlich wie Deutschland jetzt und leider auch in Zukunft zu Israel, zum israelischen Völkermord steht.
Dagegen müssen wir uns, gemeinsam mit unseren palästinensischen Freunden, unseren Brüdern und Schwestern auflehnen, kämpfen und auf die Straße gehen. Nur so können wir, auch wenn es nicht von heut auf morgen geschieht, Veränderungen in Deutschland, in Palästina und Israel erreichen.
Soweit meine persönlichen Gedanken und Gefühle.
Kämpfen wir gemeinsam für eine bessere Welt. Hoch die internationale Solidarität!
Rede von Thomas Geggel